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Huun Huur Tu

24.03.01 / 26.05.14 / 01.+02.04.03 – Huun Huur Tu
Michael Müller / Offenburger Tageblatt (27.03.01)
Wir bedanken uns bei Michael Müller für den kostenlos zur Verfügung gestellten Text.
Gesänge voller Würde und Weisheit
Das Konzert-Highlight des Jahres: Huun Huur Tu begeisterten 350 Besucher in der Reithalle
Man mochte fast nicht glauben, was man da in der Reithalle zu hören bekam: Huun Huur Tu demonstrierten am Samstag eine Gesangskunst, die sprachlos machte.
Tuva? »361°«-Macher Stefan Krastel zitierte zu Beginn den kümmerlichen Eintrag zu diesem Stichwort aus dem Bertelsmann-Lexikon von 1978. 20 Zeilen vielleicht - das war alles. Und viel mehr weiß man heute auch nicht über diese russische Provinz. Doch dieses vergessene Fleckchen Erde birgt einen Schatz, eine Gesangs-Kultur, die an westliche Klänge gewöhnte Hörer fast an der eigenen Wahrnehmung zweifeln lässt: Oberton-Gesang - die Fähigkeit, einzelne beim Singen mitschwingende Obertöne so zu verstärken und zu modulieren, dass harmonische Musik entsteht. Man hört also immer zwei Töne, den Grundton und den flötenartigen Oberton - und das machen sie nur mit den Stimmbändern, ohne technische Tricks. Huun Huur Tu sind die Besten ihres Fachs. Wie sie das machen? Keine Ahnung. Allenfalls ihre Lippen sah man sich bewegen. Doch ansonsten präsentierten die vier Sänger diese schwierige Gesangstechnik mit einer selbstverständlichen Meisterschaft, die frappierend war. Sie sitzen nur da, in würdevollen Gewändern, und singen. Über Pferde, die Schönheit der Landschaft, von Kamelkarawanen, von ihrem Glauben. Und das tun sie mit Inbrunst, Bescheidenheit - und vor allem viel Wärme. Aus ihrem ganzen Auftreten sprach eine Weisheit, die uns hierzulande schon völlig abhandengekommen ist. Da lebten Legenden auf, da wurde die Natur hörbar - täuschend echte Nachahmung von Wolfsgeheul und Adlerschreien inklusive. Und dazu spielen sie auf archaisch anmutenden Saiteninstrumenten und urtümlicher Percussion. Mal flirrten Gesang und Streicher elegisch in- und übereinander, mal wurden die Stücke von einem sanft wiegenden Rhythmus vorangetrieben. Doch nie lenkte das schmückende instrumentale Beiwerk von den beherrschenden Stimmen ab. Heraus kam Musik voller Schönheit, Majestät und Erhabenheit. Nicht sehr variabel in der Melodik, gewiss, doch der faszinierende Gesang sorgte dafür, man dasaß wie vom Donner gerührt. Das Konzert-Highlight des Jahres - keine Frage. Und falls sie nochmal wiederkommen - gehet hin und staunet.
Rob Ullmann / Badische Zeitung (27.03.01)
Wir bedanken uns bei Rob Ullmann für den kostenlos zur Verfügung gestellten Text. Musik, die die Seele berührt
Das vielleicht schönste Konzert in der Reithalle: Huun Huur Tu aus Tuwa
Auch in Tuwa sind die Männer Chauvis. Frauen dürfen nämlich nicht! Das Khöömei - das Oberton- oder Kehlkopf-Singen - ist ihnen aus religiösen Gründen verboten. Überraschung: Die Reithalle war voll! Rund 400 Besucher kamen am Samstagabend zum Konzert von Huun-Huur-Tu. Stefan Krastel von "361 Grad", gemeinsam mit dem Kulturbüro Veranstalter, gab eine kleine Lesung aus dem Bertelsmann-Lexikon zum Besten. Was wissen wir über Tuwa? Kleines Land zwischen Sibirien und Mongolei, gehört zu Russland, Hirtenvolk, Atomforschungsanlagen, worauf die Offenburger den vier (männlichen) Musikern einen warmen Empfang bescherten. Huun-Huur-Tu revanchierte sich mit dem vielleicht schönsten Abend, den die Reithalle bislang erlebt hat. Es ist das Markenzeichen von "361Grad", dass ihre Künstler eine hohe Intensität und Integrität besitzen. Huun-Huur-Tu betrat die Bühne in prachtvollen traditionellen Festtagsgewändern, rot, blau, lila, smaragdgrün, mit Gold bestickt, die Instrumente mit Schnitzereien verziert, einer trug einen seltsam exotischen Hut. Aber das hat nichts mit Trachtenschau oder Operette zu tun, es ist Ausdruck des Respekts, den die Musiker ihrer Musik, deren tiefen Bedeutung und Tradition, entgegenbringen. Jenseits aller Exotik: die Offenburger spürten das. Es ist ein Ausdruck in dieser Musik, der - pardon - in der Seele berührt. Töne, die auf- und abschwingen, Melodien, die sich zu einem endlos geflochtenen Band verschlingen, oft getragen von der Igil, einer zweisaitigen Geige (mit einem geschnitzten Pferdekopf) und der Byzaanchi, einer kleineren viersaitigen Geige. Beide werden in den Schoß gestellt und gestrichen. Der Gesang klingt sehr weich, hell, ein wenig "chinesisch", gleichfalls gewunden und verschlungen, magisch. Dann plötzlich ein unglaublich tiefer, gutturaler Ton, archaisch kraftvoll, monoton, darüber ein Pfeifen, wie eine Piccolo-Flöte, in dem Pfeifen die Melodie, dazwischen ein Rollen und Kollern: Das ist Khöömei! Gebete, Balladen, Liebeserklärungen: an Frauen, die Natur, das Leben, an Pferde. Naturbeschreibungen und -imitationen: Vogelstimmen, Wolfsgeheul, Hufgetrappel, die Weite der Steppe, die karge Schönheit der Taiga, die Hoffnung, die im jungen Gras wohnt. Hohe Virtuosität - aber niemals um ihrer selbst Willen, niemals ausgestellt. So wird die "Khomus", nichts weiter als die gute alte Mundorgel, virtuos gespielt, mitunter nimmt der Spieler dazu vorher einen Schluck Wasser in den Mund. Ein immer wiederkehrendes Thema: der Mensch, getrennt von der Familie, einsam. Der Waise ist in den Liedern, Sagen und Märchen von Tuwa die unglücklichste aller Figuren, auch wenn er viele Tiere hat, also reich ist. "Im Exil" heißt ein Lied: "Ich ritt und bemerkte nicht die Koppel voller Tiere, ein Mädchen sprach mit mir, und ich hörte ihre Scherze nicht." Das Schlimmste ist, seine Mutter zu verlieren, und es ist unvermeidbar: "Das Schicksal des Universums lässt sich nicht abwenden ..." Andere Lieder sind religiösen Inhalts, Gespräche mit den Seelen in den Pflanzen, in uraltem Gestein, in den Wassern, Kommunikation mit den Vorfahren, die "Grabsteine auf der Steppe wurden.26.05.14

Huun-Huur-Tu sind die absoluten Meister einer der interessantesten Vokaltechniken der Welt: des Obertongesangs. Das Quartett aus Tuva, einer autonomen Republik im Staatenverbund der GUS, zählt weltweit zu den führenden und angesehensten Weltmusikgruppen aller Zeiten.

Für europäische Ohren klingt die Musik von Huun-Huur-Tu fast unwirklich. Die Kunst des Obertongesangs, bei dem der Sänger mehrere Töne gleichzeitig erzeugt, erschüttert beim ersten Hören das vermeintlich solide Wissen um das natürliche menschliche Stimmpotential. Mystisch, spirituell, über mehrere Oktaven vom tiefsten Baß bis zu höchsten Pfeiftönen; so erzählen sie mit faszinierenden Kehlkopfklängen von den mythischen Geheimnissen ihrer südsibirischen Heimat. Huun-Huur-Tus Konzerte sind unvergleichlich. Auf archaisch anmutenden traditionellen Instrumenten wie der Igil (zweisaitige Stehgeige) , der Taschpulur (dreisaitige Langhalslaute) und verschiedensten Rhythmusinstrumenten, spielen Huun-Huur-Tu eine so noch nie gehörte traumhafte Musik, voller Schönheit, Anmut und Würde. Sie schaffen auf der Bühne mit einfachsten Instrumenten und ihren Stimmen einen Klangkosmos schier unerschöpflicher Vielfalt und Dichte, singen Lieder vom Nomadenleben, Schafherden, der Liebe, der endlosen Weite ihrer Heimat- und der Stille als Ursprung aller Spiritualität.

01.+02.04.03 (Offenburger Tageblatt / Michael Müller / 04.04.2003)

Meditative Töne verzaubern Zuhörer
Stars hautnah: Oberton-Artisten Huun Huur Tu gaben zwei Konzerte im Offenburger Spitalkeller

Der Offenburger Spitalkeller mag tatsächlich unter der Erde liegen. Die beiden Konzerte von Huun Huur Tu bewiesen jedoch, dass er deshalb noch längst kein Tempel für »Underground-Kultur« bleiben muss. Den Spitalkeller imagemäßig aufwerten - das ist das erklärte Ziel der »361°«-Macher um Stefan Krastel und Albrecht Wolf. Die beiden Konzerte von Huun Huur Tu zeigten jedenfalls, dass der beinahe schon legendäre Keller auch echten Weltstars einen würdigen Rahmen bieten kann.

Und Weltstars darf man Huun Huur Tu inzwischen ohne Übertreibung nennen. In den großen Metropolen sind sie regelmäßig zu Gast. Demnächst öffnen sich ihnen die Türen der Queen Elizabeth Hall in London, und für die beiden Auftritte am Dienstag und Mittwoch waren sie aus dem fernen Vancouver im Westen Kanadas über Seattle und München nach Offenburg gekommen.

Es ist schon erstaunlich: Anderswo singen und spielen Huun Huur Tu regelmäßig vor mehreren Tausend. Und nun also zwei Auftritte mitten in der Provinz auf einer vergleichs- weise winzigen Kellerbühne, vor vielleicht 60 Leuten. Dazu Rauch- verbot und Getränkeausschank nur in der Pause - besondere Ereignisse brauchen besondere Umstände. Denn es war ein Experiment. Beim Offenburger Debüt von Huun Huur Tu vor gut einem Jahr bildete noch die Reithalle den äußeren Rahmen. Dort hätte man die vier tuvanesischen Oberton-Artisten sicher lichtmäßig gediegener in Szene setzen können, und vielleicht hätte sich die Erhabenheit dieser Klänge dort auch besser entfalten können. Doch dafür konnten die Besucher diese Stars der ethnischen Musik hautnah erleben. Und Huun Huur Tu hatten jeweils ein ausverkauftes Haus.

Doch egal, wie nah man dran sitzt, und egal, wie konzentriert man zuhörte - das Geheimnis dieser Kunst, mit den selben Stimm- bändern gleichzeitig zwei verschiedene Töne zu erzeugen, zu modulieren und zu einem harmonischen Ganzen zusammen- zufügen, war auch diesmal nicht zu entschlüsseln. Und so blieb einem nichts anderes übrig, als sich verzaubern zu lassen von Gesängen, die durch die ständige Wiederholung kurzer Melodiefolgen eine enorme Suggestivkraft entwickeln, und einem Ensemble, das mit seiner Musik und seinem ganzen würdevollen Auftreten von einer Kultur kündet, die ein Leben im harmonischen Einklang mit der Natur zur Quelle von Spiritualität erhebt. Und auch wenn die archaische Wucht dieser Musik in der Reithalle vielleicht besser zur Geltung gekommen wäre - die Filigranität, in der der Klangteppich gewebt ist, den Huun Huur Tu diesen Gesängen mit ihren uralten Instrumenten unter- legen, vermittelte sich im Keller besser. Da wurde deutlich, dass sie nicht nur mit Stimmen gesegnet sind, die nicht von dieser Welt zu sein scheinen, sondern auch famose Instrumentalisten sind.

Einziger Wermutstropfen: Nach nur einer Zugabe war Schluss. Doch nach dieser strapaziösen Anreise sah man ihnen das ohne Murren nach.

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