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Laurie Lewis

25.05.01 –Laurie Lewis

Michael Müller / Offenburger Tageblatt (25.05.01) Wir bedanken uns bei Michael Müller für den kostenlos zur Verfügung gestellten Text.

„Stubenmusik“ braucht intimeren Rahmen
Musikalisch über jeden Zweifel erhaben. Bluegrass-Königin Laurie Lewis im Foyer der Offenburger Reithalle

Eigentlich hätte der Rahmen noch intimer sein müssen -doch ansonsten gab's am Auftritt von Bluegrass-Queen Laurie Lewis am Dienstag im Foyer der Reithalle nichts auszusetzen -im Gegenteil.Im vergangenen Jahr hatte Kollegin Lynn Morris noch im Spitalkeller gespielt -zweifellos der bessere Rahmen für akustische Musik. Denn eigentlich fühlt man sich bei Bluegrass in die Zeit zurückversetzt, als sich die Menschen im ländlichen Amerika noch nach getaner Arbeit in kleiner Runde nach draußen auf die Veranda setzten und Musik machten. Bluegrass ist nach wie vor eine lebendige Musik, doch stets hat sie ihre Ursprünglichkeit bewahren können. Das hat immer auch etwas den Charakter von Stubenmusik: Gitarre, Banjo, Fiddle, Mandoline und Stand-Bass -mehr braucht's nicht.Ebenso bodenständig wie die Musik sind auch die Inhalte der Songs. Da besingt Laurie Lewis die Schönheit der Landschaft (»My Old Kentucky Home«) oder einen Mann, der nach einer harten Arbeitswoche in seine Kneipe geht und eine Münze in die Jukebox wirft, um seinen Lieblingstitel von Elvis zu hören -und selbst wenn sie übers Reisen singt, geht's doch vor allem darum, wie schön es ist, am Ende wieder nach Hause zu kommen (»The Refugee«). Und natürlich geht's um die Liebe -etwa im bittersüßen »Love Is a Lonely Street« von den Louvin Brothers, und ganz besonders ergreifend in »Bane and Balm«: die Instrumentalbegleitung bis zum Gehtnichtmehr abgedämpft, nur ein paar Mandolinen-Sprengsel, und darüber Lauries warme Alt-Stimme zu einer wunderschönen Melodie -einer der vielen Gänsehaut-Momente.Auf die Spitze trieb sie dieReduktion in »Weevily Wheat«: nur Laurie und Kristin Scott am Banjo -das hatte schon was Archaisches. Da wurde auf einmal spürbar, dass Country-Musik sich ursprünglich maßgeblich aus der anglo-irischen Folklore speist, die die Einwanderer aus Europa mitbrachten. Und »The Wood Thrushes' Song« brachten sie a capella, mit Mike Moore, ihrem Fahrer und Merchandising-Mann, als fünftem Sänger.Überhaupt die nuancenreichen Gesangs-Harmonien -ein Gedicht. Kongeniale Unterstützung fand sie in ihrem langjährigen Partner Tom Rozum. Vor allem in »Don't Get Too Close« bewiesen sie geradezu blindes Verständnis. Nicht zuletzt hat die Band Humor: »My Walking Stick« des Schlager-Komponisten Irving Berlin brachten sie als neckischen Tango -köstlich. Und natürlich gab's jede Menge rasante Bluegrass-Feger: »Tall Pines«, »Blue Days, Sleepless Nights«, »Texas Bluebonnets« oder »Sleepy Eye John« als Rausschmeißer. In den Zugaben wurd's richtig andächtig: In »Who'll Watch the Home Place« brachten sie die gut 100 Besucher zum Mitsingen.»Wenn wir demnächst wiederkommen, sagt euren Freunden Bescheid, und dann können wir vielleicht in der großen Halle nebenan spielen«, rief Laurie Lewis zum Abschied. Aber ob das wirklich so eine gute Idee ist?
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Rob Ullmann / Badische Zeitung (25.05.01) Wir bedanken uns bei Rob Ullmann für den kostenlos zur Verfügung gestellten Text.

Zeitreise durch ur-amerikanische Musik
Laurie Lewis im Foyer der Offenburger Reithalle

Wer hätte geglaubt, dass ein Konzert mit "Bluegrass"-Musik über 150 Zuhörer in das Foyer der Reithalle zieht? Rundweg begeisterte und faszinierte Zuhörer überdies? Laurie Lewis, die mit ihren "Bluegrass Pals" am Dienstagabend zuGast war, ist seit über zwanzig Jahren eine der wichtigen Persönlichkeiten dieses Stils. Sie ist eine ausgezeichnete Fiddle-Spielerin (auf diesem Instrument gibt es in der Bluegrass-Szene jede Menge Virtuosen!), eine Sängerin mit warmer Stimme und vielen Schattierungen und Facetten, nie gekünstelt, forciert oder aufgesetzt, und sie ist nicht zuletzt eine großartige Songschreiberin.Lewis ist zum einen sehr der Tradition verpflichtet, setzt sie andererseits fort durch ihre eigenen Lieder wie durch ihre Interpretationen neuer Songs von Kollegen. Die Keimzelle auch dieser weißen amerikanischen Musik sind die europäischen Siedler in den unwegsamen (und "rückständigen") Appalachen, die Walzer, Polka, Jig und Reel, nordische Folklore mitbrachten und mit Geige, Mandoline, Kontrabass, Akkordeon und Banjo spielten: Haus-, Tanz-und Kirchenmusik. Als Bill Monroe in den vierziger Jahren diese Musik spielte (plus Gitarre), fiel das Akkordeon weg, und nicht mehr die Fiedel allein führte, sondern alle Instrumente übernahmen nacheinander die Führungsstimme -wie es auch in Laurie Lewis' Band praktiziert wird.Ein unerschöpfliches Thema der Bluegrass-Musik ist die verlorene Heimat. Da wird der "Blue Moon of Kentucky" besungen und "My old Kentucky Home", zu dem es den gelegentlich jodelnden "Bluegrass-Boy" hinzieht, aber er muss in der Fremde arbeiten, in New York oder Chicago, denn nur dort gibt es Verdienstmöglichkeiten. Heute ist die räumliche Entfernung durch die zeitliche ersetzt: Der Verlust der Heimat ist in der Bluegrass-Musik auch immer Verlust der Kindheit, des Vertrauten, des Heimeligen, wo man geborgen war in einer kleinen Welt voller kleiner Wunder und Schönheiten. Aber diese Welt ist verloren, verheizt in den Öfen des Fortschritts, und nur die Erinnerung bringt sie zurück.Laurie Lewis schreibt einige wunderschöne Lieder über dieses Thema "Straße zur Kindheit", die man ihr auch ohne weiteres abnimmt. Ihre zärtliche Beschreibung der kleinen Dinge und Wunder ist melancholisch, ohne sentimental zu sein. Sie hat eine Ausstrahlung voller Charme, zur leisen Melancholie kommt ein leiser Humor. Die Band präsentiert Klassiker, Von Bill Monroe über einen der emphatischen Schmachtfetzen von Jimmy Rodgers, (dem "jodelnden Bremser") bis zu "Foggy Mountain Breakdown" (von Flatt & Scruggs), einem wilden Parforce-Ritt auf Fidel, Banjo, Mandoline.Dazu gibt es die obligatorische witzige Nummer von dem Faulpelz, der die Arbeit scheut, aber Fiddleoder Banjo spielt als wäre er der Herrgott (oder der Teufel) selbst -solche Sujets dienen traditionell dazu, der Band Gelegenheit zu geben, ihre instrumentale Fixigkeit zu beweisen -prompt fliegen die Finger der Bluegrass Pals nur so über die Saiten. Auch religiöse Lieder gehören zum Repertoire, Lieder über "das Haus auf der anderen Seite (des Lebens)", wo man eines Tages wohnen will -urprünglich mehrstimmiger a-capella-Gesang, keine schwarze Gospel-Ekstatik, dennoch nicht weniger ergreifend. Ein Abend,der eine Zeitreise war durch eine ur-amerikanische Musik, zwischen Frohsinn, Wehmut und Nachdenklichkeit.

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