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NoJazz

23.04.03 - NoJazz

Michael Müller / Offenburger Tageblatt (26.04.03)
Wir bedanken uns bei Michael Müller fürText und Fotos, die er kostenlos zur Verfügung gestellt hat

Sie sind so ganz anders als man sich eine Jazz-Band vorstellt. Und eigentlich machen sie auch gar keinen Jazz. Sagt ja ihr Name schon. Oder doch? No Jazz jedenfalls haben ihren Spaß an solchen Vexierspielchen -und brachten so ganz nebenbei den Spitalkeller zum Brodeln.Darf eine Jazz-Band Samples benutzen? Mit dem, was man sich gemeinhin unter einer Jazz-Band vorstellt, haben No Jazz jedenfalls nicht viel zu tun. Einen scratchenden DJ haben sie mit dabei. Ihr Drummer hat blonde Strähnen im Haar, ihrTrompeter scheint sich seinen Glitzer-Anzug aus dem Fundus von »Saturday Night Fever« geklaut zu haben, andere laufen in typischen Rapper-Klamotten durch die Gegend. Fast alle fünf Musiker firmieren nur unter ihren Spitznamen wie »Bilbo« oder »Slam« -wie bei Rap-Combos. Und alle sind ziemlich jung.Also keine Jazz-Band. Oder doch? Tatsache ist, dass No Jazz aus Frankreich kommen. Und da ticken die musikalischen Uhren anders als hierzulande, weil viel weniger in Kategorien und Formaten gedacht wird. Dort haben Freigeister und Nonkonformisten noch Raum zum Atmen. Doch kann man das, was No Jazz machen, tatsächlich noch als »Jazz« bezeichnen? Lange war Jazz populäre Tanzmusik, Teil der ganz normalen Alltagskultur. Heute fristet Jazz nur noch ein Nischen-Dasein –als Tummelplatz intellektueller Bildungsbürger. Und deren ästhetisches Empfinden diktierte die Grenzen dessen, was Jazz darf und was nicht. Doch das bedeutete den Tod des Jazz als Massen-Musik: Jazz mag heute raffinierter klingen als je zuvor -den Spaß hat man ihm gründlich ausgetrieben, und als Quell unbeschwerten Tanzvergnügens hat er ausgedient. No Jazz indes ist jedes intellektuelle Sektierertum fremd. So gesehen machen sie wirklich »keinen Jazz«. Sie wollen einfach nur Spaß bereiten und die Leute zum Tanzen bringen -aber ist das nicht die »wahre Seele« des Jazz?Diese Dialektik löst sich auf in einem lustvollen Eklektizismus:Natürlich finden sich in ihrer Musik typische Elemente des Jazz, etwa das Improvisieren über ein Melodie-Thema, die synkopierten Soli.Doch ansonsten klauen sich No Jazz durch alles, was Beine macht -und versöhnen den Jazz mit jenen Musiken, die heute das Futter für die Tanzwütigen liefern: Da hört man Salsa-Klänge, pumpende Reggae-Rhythmen, zackige »twin leads« der Bläser, wie man sie von schwarzen Funk-Bands kennt, oder Maschinen-Beats. Und sie arbeiten mit Samples -und das auch augenzwinkernd: Einmal verwursteten sie sogar die Titelmelodien der Krimi-Reihe »Magnum« und des Action-Films »Mission: Impossible«. Und dieser Mix entfaltet in den besten Momenten eine berauschende Wucht.Darf ein Jazzer das alles? Das Keller-Publikum gab die Antwort: Es tanzte ausgelassen. Den Band-Namen werden wohl nur sauertöpfische Puristen wirklich wörtlich nehmen.

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