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Berrogüetto

02.05.01 - Berrogüetto

Michael Müller / Offenburger Tageblatt (08.05.01)

Wir bedanken uns bei Michael Müller für den kostenlos zur Verfügung gestellten Text.

Keltisch herb und mit viel Schmelz
Berrogüetto spielte Folk-Musik vom Feinsten

Wie man die Musik-Kultur der Heimat mit Kraft, Seele und Begeisterung neu definieren kann -das Konzert von Berrogüetto am Mittwoch in der Reithalle war ein Musterbeispiel hierfür. Berrogüetto haben etwas geschafft, was hierzulande offenbar schon längst unmöglich geworden ist. Das Ensemble stammt aus Galizien, der windigen Nordwest-Ecke Spaniens. Als sich die Band vor fünf Jahren formierte, sah es dort weitgehend so aus wie heute noch immer in Deutschland: Folk-Musik war etwas für Minderheiten. Die große Mehrheit hörte lieber anglo-amerikanischen Rock-und Pop-Bands zu.Doch Berrogüetto gaben sich damit nicht zufrieden. Und ihr entschiedenes Plädoyer für die Musik ihrer Heimat fand Gehör. Heute stehen Berrogüetto an der Spitze des Folk-Revivals und haben Riesenerfolg -nicht nur in Spanien selbst, sondern zunehmend auch in anderen Ländern.In Offenburg war es bereits der zweite Auftritt des Ensembles: Vor gutzwei Jahren bereits begeisterten sie beim ersten »Offenburger Folk-Herbst«, und das Wiedersehen erfüllte die hohen Erwartungen restlos.Das keltische Element ist stark in ihrer Musik. Schon mit den ersten Takten des Openers »Aquí Canto« begann man sich denn auch unendlich wohl zu fühlen: pluckernde Percussion umschmeichelt die Ohren, ein wunderbar leicht wiegender Rhythmus setzt ein -und dann stimmt Sängerin Guadi Galego eine dieser unwiderstehlichen, leicht wehmütigen Melodien an, wie sie für keltische Musik so typisch sind. Ihre Stimme ist wirklich ein Gedicht: herb, aber auch mit viel Schmelz, doch nie sentimental oder kitschig, sondern voller Seele und Kraft. Sie ist halt auch Spanierin, und das merkte man.Doch Berrogüetto sind keine dogmatischen Puristen: Zwar stehen traditionelle Folk-Instrumente wie die Gaita (der galizische Dudelsack), Violine oder Akkordeon im Mittelpunkt, aber sie scheuen auch vor modernem Rock-Instrumentarium wie Schlagzeug oder Altsaxophon nicht zurück. Es war schon faszinierend mitzuerleben, wie das alles bruchlos ineinander aufging.Und so öffneten die sieben Musiker einen wunderschönen musikalischen Gemischtwarenladen: traditionelle galizische Tänze, Walzer, poppige Melodien -da war alles dabei. Ihr Zusammenspiel war eineDelikatesse -voller subtiler Dynamikwechsel und Spielfreude, und präsentiert mit viel bescheidenem Charme.Vor allem die Tanz-Instrumentals gerieten zu Highlights: Da standen sie alle Mann vorn an der Bühne und schoben sich gegenseitig an -in diesen Momenten entwickelten sie eine Power, die schlicht berauschend war. Und davon ließen sich mit zunehmender Spieldauer auch die Besucher anstecken. Schade nur, dass es lediglich knapp 200 waren. Aber im Land der »Leitkultur« lässt man sich in Sachen Aufarbeitung der eigenen Kultur offenbar nicht so gerne vorführen.

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